Kleines Welttheater für 4 Räder und 4 Beine
Langgedicht
2020
(unveröffentlicht)
I
Kabel, Kräne, Planquadrate, ein Terrain wird angehoben,
Trassen werden überschnitten, Straßen unter Tag verschoben,
Baggerzangen packen Rohre, Aushub türmt sich auf zu Hügeln,
Walzen rollen unermüdlich, dampfenden Asphalt zu bügeln.
Im Akkord bei Nacht und Regen werden Schwellen umgebettet,
alte Gleise nachgeschliffen, neu verlegt auf Schaumbelägen,
für den Nachwuchs Platz zu schaffen, wird ein Altbestand verdichtet,
da ein Fahrverbot erlassen, dort ein Spielplatz eingerichtet,
Wald zieht ein in Wohnbezirke, Bäume in Büroetagen,
Schranken heben sich wie Flügel, Schwalben schwirren durch Garagen.
Stelzen, Stahl und Glas und Lichter, eine Welt in tausend Schichten,
und im Spiegelglanz der Scheiben Schriften, Schilder und Gesichter.
Kassen kennen Wert und Ware, automatische Systeme
regulieren Licht und Wärme, Luftzufuhr und Kundenströme,
Leuchtsymbole dirigieren Fernverkehr auf der Tangente,
Schiffe queren Ozeane, Kühlcontainer Kontinente.
Neu begegnen sich die Länder, treiben Handel ohne Grenzen,
knüpfen freundschaftliche Bänder – Teile fügen sich zum Ganzen,
freie Meinung, Menschenrechte als verbindliche Gewährung
für ein neues, freies Dasein ohne Drangsal und Entbehrung.
Elend war das Leben früher, manch ein Dasein unerträglich,
wirrer Glaube rief nach Wundern, jetzt sind Wunder ganz alltäglich:
Fliegen, Gleiten, Wellenreiten, Feste feiern wie die Reichen,
fit sein, fette Speisen meiden, gut gefeit zu sein vor Seuchen,
nach Belieben schriftlich mündlich mit der Welt sich auszutauschen,
ist für jeden nun erschwinglich, leichter wird das Leben stündlich.
Sauber saugt der Zukunft Trichter ab, was keine Zukunft hat,
schluckt den Kehricht der Kulturen, Trödel für den Heimatdichter:
Holzpantoffel, Pendeluhren, Ochsenjoch und Pferdekarren,
Nachtgeschirre, Nähschatullen, Mägen, die vor Hunger knurren.
Sich des Elends zu erwehren, hat den Schwachen stark gemacht,
Hunger kennt er nur vom Hören, jetzt hat er ein Bett, ein Bad,
Wandschrank, Bar und Zimmerpflanzen, Jalusien gegen Hitze,
Büsche, die vor Blicken schützen, auf dem Flachdach kann man sitzen.
Türme, Brücken und Gerüste – in den Himmel ragt die Stadt!
Schnellbahn schließt die letzten Lücken, funkelnd dreht der Pfau sein Rad,
wendig werfen Wärterhände ins Gehege der Hyänen
Schwarten, Knorpel und Gedärme, Löwen liegen faul und gähnen.
Chorus:
Der Weg war beschwerlich und fern war das Ziel,
der Menschenverstand aber, der vermag viel.
(…)
Copyright © Stefan Zeiler