Texte über Stefan Zeiler
Ausstellung „with a small degree of design“
(…)
Zeilers feine Pastellzeichnungen dagegen sind auf Anhieb voller Symbolik, voller Verschlüsselung. Zeiler hat sie gezeichnet, indem er Material freigelegt hat, nicht indem er Farbe hinzugefügt hat. Vorher und Nachher werden so umgekehrt. Die Zeit ist für Zeiler ein wichtiges Motiv. Es faszinieren ihn antike Kulturen, die assyrische. Es fasziniert ihn, wie er sagt, die Zeit „bevor der Mensch der Welt das rationale Korsett übergestülpt hat“. Umso interessanter, die Werke mit den Gegensätzen von Digitalem und Analogen zu betrachten. Für Stefan Zeiler ist das Digitale in seiner ursprünglichen Bedeutung relevant. Digitus lautet der lateinische Begriff für Finger. Digital – das heißt Signal, das heißt Verweis. Wie ein Wort, das etwas Abwesendes repräsentiert und dabei etwas Neues entstehen lässt. Nehmen wir die Zeichnung im zweiten Raum, zu unserer Rechten. Abgebildet sind antike Sarkophage. Die Konturen können als das Analoge im Bild interpretiert werden – das Schraffierte dagegen als das Digitale. Linien sind in der wahrnehmbaren Wirklichkeit etwas Objektives. Die Schraffur dagegen wird durch unser kulturelles Wissen als Schattenfläche verstanden. Im letzten Raum dann noch ein gänzlich neues Medium. Erst jetzt sieht man das Digitale, wie man es heutzutage erwartet. Es wird Stefan Zeilers Autorenfilm „Zimzum“ gezeigt. Film, das heißt bewegtes Bild, Text und Ton – die Kombination von Simultaneität und Sequentialität. Und obwohl es so viele Spuren, so viele Informationen gibt, findet Zeiler einen Weg, die semantische Offenheit zu bewahren. (…)
Er hat absurd schöne Landschaftsaufnahmen in Island gedreht, mit einem von ihm gespielten Protagonisten. Der Film ist ein Künstlerdrama als verbildlichtes Rätsel. Wer ist Jorde Ensov, fragt der Erzähler und er liefert eine kryptische Antwort. „Virtuell nichts“ wissen wir über die mystische, weiß gekleidete Hauptfigur, die durch das Bild tanzt und Obst auf Zeichenpapier zerquetscht. Die Figur ist sichtbar – und doch auch nicht. Wie Zeiler es beschreibt: „Die Handlung führt ins Imaginäre“. (…)
(Fabiana Braunstorfer, Eröffnungsrede Kulturwerkstatt Haus 10, Fürstenfeldbruck, 2019)
Domagktage XX
Stefan Zeiler ist Generalist. Er malt, zeichnet, schreibt und macht Filme. In seinen malerischen und zeichnerischen Arbeiten spielen Landschaften eine entscheidende Rolle. Sie entstehen zumeist als Serien. Da gibt es Flusslandschaften, Steinbrüche und Areale mit Ruinen. Diese Topografien sind niemals ebenerdige Landstriche; immer bildet sich etwas Architektonisches aus kubistisch anmutenden Formen heraus. Selbst das Flusswasser härtet in streng abgezirkelten Flächenkompartimenten aus. Die Suche nach einer klaren und gleichzeitig tiefgründigen Ausdrucksweise zeichnet alle künstlerischen Arbeiten von Stefan Zeiler aus. Es geht ihm um unermessliche Größen wie Raum und Zeit. Seine Perspektive auf das Dasein ist eine existenzielle. Er schöpft aus eigenen sensuellen und emotionalen Erfahrungen und collagiert diese Versatzstücke zu lyrischen Begebenheiten. Der Film ermöglicht es ihm, Geschichten zu erzählen, in denen weniger Handlungen als vielmehr Stimmungen und Reflexionen zur Darstellung kommen.
(Dr. Katrin Dillkofer, Katalog, 2015)
Theaterstück „NOAK. Kopflose Handlungen in einem Tiefdruckgebiet“
(…) Kennengelernt habe ich Stefan Zeiler als einen Maler, mit einem außerordentlich geschärften und kritischen Bewusstsein für alle methodischen und ästhetischen Aspekte. Schon von dieser bildnerischen Arbeit her ist ihm zweifellos eine reiche Kunsterfahrung in Hinblick auf Formen und Darstellungsweisen eigen.
Das ist auch gleich spürbar geworden, als er vor einigen Jahren mit literarischen Arbeiten begann. Seitdem habe ich von ihm Erzählungen und ein Theaterstück kennen gelernt. In den Erzählungen zeigte sich sogleich eine beachtliche stilistische Sicherheit und eine sehr eigene und eindrückliche Bildwelt.
Das Theaterstück “Noak. Kopflose Handlungen in einem Tiefdruckgebiet” konnte ich in einer ersten und in einer zweiten, nun wohl definitiven Fassung einsehen. … Bestechend ist in meinen Augen die sprachliche Durcharbeitung des Stücks. Sie erinnert an den musikalisch-rhythmischen Aufbau von Thomas Bernhards Dramen, an die Endspielkomik von Beckett-Stücken mit ihrer von Unbehagen unterlegten Hermetik.
Dennoch findet Zeiler ganz eigene Metaphern und sehr bedrängende, expressive Bilder. Unübersehbar ist die ganz besondere poetische Qualität des Stückes. (…)
In seinem Stück “Noak” steckt nicht zuletzt auch eine Parabel auf die ganz aktuellen Verwirrungen der Jetztzeit, die sich ja zuweilen selbst als ein groteskes, satirereifes Enttäuschungstheater darstellt, eben als ein Zirkus mit herunter gekommenen Artisten.
(Eberhardt Falcke, DeutschlandRadio, DIE ZEIT, BR, SWR, NDR, 2011)
Lieber Herr Zeiler,
(…) Wir bedanken uns für die Übersendung Ihrer Texte… Wir haben „NOAK“ mit großem Vergnügen gelesen und uns einfangen lassen von dem virtuosen Spiel mit Worten, das Ihr Theaterstück zu etwas ganz Besonderem macht. Mit einigem Bedauern haben wir uns dennoch gegen eine Inverlagnahme entschieden. Das Stück braucht, wie Sie selbst ganz richtig schreiben, einen Regisseur, der sich auf ein solches Experiment einlassen kann. Diese individuelle Vermittlung können wir nicht leisten…
(Sigird Scheurer, Andrea Czesienski, Henschel Schauspiel Theaterverlag, 2011)
Aufsatz „Körper der Erinnerung“
(…) Nach einer ersten Lektüre muss ich Dir sagen, dass ich von deiner Art „expressiven“ Denkens und Schreibens fasziniert bin. Dein (auch sprachlich) hervorragender Text wird nicht ein „interessanter“ künstlerischer Zusatz, nein, nein, sondern vielmehr eine wahre Bereicherung und Blicköffnung (v. a. für akademische Philosophen, die mit ihrer Nase viel zu sehr an den Büchern anderer Denker kleben,. als einmal einen freien und schöpferischen Blick zu tun) im nächsten Jahrbuch sein! Dass du das Thema Leib über die Ruine einholst, ist dabei nicht nur ein „reizvoller“ Umweg, sondern mehr noch eine gründig-abgründige Auseinandersetzung mit der Geschichtlichkeit, Räumlichkeit und Vergänglichkeit, mit den sedimentierenden und sklerotisierenden Aspekten eines Körpers, der eben nicht an den Grenzen unserer Haut halt macht. Vielen Dank.
(Dr. Robert Kozljanic, albunea Verlag München, 2012)
Spielfilm „Jan und Jandl oder Aus dem wirklichen Leben“
„Ich mochte Deine Bilder, man spürt einen großen Sinn für Komposition und Farben, Deine Herkunft von der Malerei.“
(Dagmar Knöpfel, Filmregisseurin/Drehbuchautorin/Produzentin, 2006)
(…) Diese für einen Film ungewöhnliche Visualisierung des inneren Monologs eines Autors betont puristisch den einsamen Akt des Schreibens, der im Verlauf der Dramaturgie immer deutlicher in die unscharfe Sphäre zwischen der so genannten Realität und einem träumerisch-tröstlichen Wunschdenken gerät. (…)
Es ist diese Offenheit im Spannungsfeld von Fakten und Fiktion, die diesen formal streng konstruierten Film prägt, der möglicherweise die Botschaft transportiert, dass gerade auf künstlerischem Terrain das Erleben und Empfinden weitaus bedeutsamer ist als das, was gemeinhin als die Wirklichkeit definiert wird.
Das engagierte Debüt, das offensichtlich reichlich Herzblut des Regisseurs enthält, ist auch ein Film über die unerfüllten Sehnsüchte der kinderlosen Intellektuellen-Generation in der Lebensmitte, bei der die berühmt-berüchtigte Selbstverwirklichung mitunter geradezu als Pflichtprogramm erscheint, um irgendwie dem zu entkommen, was als gesicherte, gewöhnliche Existenz gilt. (…)
Keine leicht konsumierbare Kinokost stellt dieses ungewöhnliche wie gewagte Debüt dar, doch einen ansprechenden Film über Schreibräume und Autorenschaft mit all ihren Höhen und Tiefen im Dickicht des grenzenlosen Territoriums der Fiktion.
(Marie Anderson, kino-zeit.de, 2006)
Natur, Gesetz und Bild, Ausstellung Ebernburg
Stefan Zeiler erstrebt die Schöpfung einer Bildwelt, in der Bilder Welt sind. Dies impliziert, dass die Welt durch den Schöpfer, der hier Maler ist, in Bilder zerlegt wurde, bevor er sie neu synthetisiert. Diese Synthese im regelmäßigen Rechteck des Bildformats bedingt eine stringente, konzentrierte Weltsicht, versucht den Akt einer Erfassung von Gesetzen und Regeln auf ein geringes, ansehnliches Format zu reduzieren. In der Kompaktheit entsteht zwangsläufig eine dynamische Ordnung.
Die Welt ist Bild. Jede Sehen ist die Sicht des Teiles im Ganzen und des Ganzen im Teile, denn die Welt wird aus Fragmenten nur für den Augenblick, der immer Grundlage des Sehens ist, zusammengesetzt. Der bewusste Akt des fragmentarischen Sehens ist maßgeblich für die Annäherung Stefan Zeilers an seine ihm innewohnende Kunst, die Weltwiedergabe ist. Mit ihr legt er die Kraft der Welt, wie sie ist, frei. Er sucht die Wahrheit der natürlichen Erscheinungen und Gesten. Der notwendige sezierende Blick und aufmerksame Respekt Zeilers gegenüber dem uns Umgebenden ist entscheidend für das Verständnis seiner Kunst. Für eine adäquate Rezeption muss der Betrachter dieselbe doppelte Aufmerksamkeit aufbringen: für das uns Umgebende und für die Erfassung daraus abgeleiteter Gesetze im Bilde. Die Arbeit des aufmerksamen, neugierigen Sehens, oder besser, Sichtens, ist entscheidende Grundlage für seine Kunst und die Rezeption derselben. Doch die elementare Erfassung der Umgebung, die ihre Auflösung in den hermetischen Kompositionen findet, ist keine einfache Betrachtungsweise. Vielmehr verbirgt sich dahinter eine dynamische Syntax. Bilder müssen, wie Zeiler postuliert, “wie ein Satz sein”, leicht und konkludent entworfen und in sich zugehörig wie eine sinnhaltig ausgesprochene Sentenz. Aus den Fragmenten wird eine sensible Eigenwelt gefügt, deren Kompetenz in Farbe und Bildarchitektur liegt, gerade so, wie in der Natur Jahreszeiten und Stimmungen herrschen. (…)
Die Reflexion begleitet Zeiler seit Anbeginn seiner künstlerischen Tätigkeit. Studienaufenthalte und Gastjahre führten den Wiener von seinem langjährigen Lebensmittelpunkt in München u. a. nach Griechenland und in die Kargheit der Crete südlich Sienas in der italienischen Toskana (1992-93). Stets interessieren ihn neben Aspekten der vitalen Natur insbesondere die geologischen Qualitäten von Hebung und Senkung sowie deren Auswirkung auf Licht und Schatten. Zufällig mit vorwiegend kragen Landschaften konfrontiert, sind diese auch kontemplativ fruchtbaren Zeiten stets Anlässe für eine selbstkritische Fortschreibung seiner künstlerischen Entwicklung. Die Komplexität der Natur-Bilder vor Augen, gereichten ihm gerade dezente Landschaften zum Vorteil des erkenntnishaften Studiums. (…)
(Robert M. Sobotta, Goethe-Institut, Katalog Künstlerbahnhof Ebernburg, 1999)
Ausstellung Förderungsgalerie „Alte Schmiede“, Wien
(…) Die Rückbesinnung auf die klassische Inspirationsquelle Natur bewahrt Stefan Zeiler vor postmodernen Historismen, wie sie zur Zeit Mode sind. Seine Zeichnungen sind nicht spektakulär und sind auch bewusst nicht so gemeint. Sie halten sich an die Tradition – etwas die freie Bewegtheit der lavierten Pinselzeichnungen Rembrandts, aber auch die disziplinierte Komposition Cezannes – und sind doch nicht epigonal. (…)
Die Kohlezeichnungen leben von einer extremen Spannung von Mimesis, der gegenständlichen Wiedergabe von Natur, und Abstraktion. Es ist ein durchaus natürlicher Vorgang, wenn wir vor Stefan Zeilers Blättern die Felder, Hecken und Waldsäume ausfindig zu machen trachten, denen sie ihre Entstehung verdanken. Doch werden wir kaum ein (spät)romantisches Erlebnis dabei haben. Ganz im Sinne Cezannes entfaltet sich eine „Harmonie parallel zur Natur“, – allerdings eine Harmonie mit Widerhaken. Oft entgleist der Strich dem Motiv, und das sind die schönsten Stellen. Verletzlicher kann man Natur nicht zeigen. Da braucht es keine ökologische Zeigefinger-Didaktik, um uns bewusst zu machen, dass wir gerade dabei sind, etwas zu verlieren. (…)
Ein humaner Atem durchweht die Blätter von Stefan Zeiler. Wir werden ihn brauchen angesichts der vielen Zynismen am Ende unseres Jahrhunderts.
(Dr. Wolfgang Kehr, Akademie München, 1989)