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Stefan Zeiler

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ZIMMER IM MAI

Dramatisches Gedicht
(frei zur UA, Rechte beim Autor)

Besetzung:
2 H (1 stumm), mehrere H und D (stumm) optional
1 Dekoration, Musik und Geräusche vom Band

Synopsis

Ein junger Mann in halbwachem, nicht ansprechbaren Zustand liegt in einem leeren Zimmer und schildert einen Tagtraum. Er beschreibt, wie ihn das Weiß der Wände mehr und mehr durchdringt und seinen Blick weitet. Er erinnert sich an einsame Spaziergänge, seine Unruhe in der Natur, an Geräusche, Gegenstände und Begebenheiten im Haus der Eltern und an die unentrinnbare Nähe seines Vaters. Sein Zustand kann als Fiebertraum, als psychischer Spannungszustand oder auch als Nah-Tod-Erfahrung mit Momenten größter Klarheit gedeutet werden. Ein Arzt hört ihm wortlos zu und macht sich Notizen.

Textauszug

ZIMMER IM MAI

Erstes Bild

Ein weißer Raum mit einem Fenster links, einer Tür hinten.
Das Fenster und die Tür sind geschlossen.
In der Mitte des Raumes ein Bett, neben dem Fenster ein Stuhl.
Der junge Mann liegt auf dem Bett, das Kopfteil ist erhöht.
Er hat seinen Kopf zum Fenster gewendet und betrachtet die Bäume vor dem Fenster.
Vogelgezwitscher draußen.
Die Tür öffnet sich.
Der junge Mann wendet seinen Blick geradeaus.
Ein Arzt kommt herein, stellt den Stuhl an eine bestimmte Stelle am Kopfende des Bettes, setzt sich auf den Stuhl, schlägt die Beine übereinander, nimmt ein Heft aus seinem Mantel, einen Stift und lehnt sich zurück.

JUNGER MANN
Ich liege. Um mich Wände. Wolkengrau. Vogelschwarz.

Ich erkenne weiße Wände. Ich erkenne eine Musterung im Weiß der Wände. Ich erkenne Musterungen in den unter dem Weiß liegenden weißen Schichten. Feine Risse durchziehen das Weiß, Krähenfüße, kleine Sprünge. Eine Musterung im Weiß in allen Schichten. Weiß, weiß. Ich kenne die Schichten. Ich kenne das Zimmer. Ich liege und durchschaue alle Anstriche. Es ist Mai. Vogelflug zischt. Wolkengrau stopft.

Tropfen quellen aus den Rissen, zwängen sich durch feine Risse in den Wänden, in der Decke in das Zimmer. Ich zähle die Tropfen der von den Wänden, von der Decke, aus dem Boden, von unten herauf, von oben herunter, in das Zimmer einfallenden Regengüsse, Wolkenbrüche.

Ich zeichne auf, trage ein, ordne in Listen, Anzahl, Größe, Form, Gewicht der Tropfen, es sticht in mein Buch, in meinen Bauch. Ich liege und merke. Ich nenne die Geschoße mit Namen.

Der Arzt notiert in sein Heft.

Ich erkenne die Gestirne. Ich zähle die Sterne. Ich fange die Monde, schlucke sie. Kugeln, die quellen in meinem Bauch, kleine Kapseln, die zerschmelzen auf dem Rücken meiner Zunge.

Der Arzt notiert in sein Heft.

Vogelgezwitscher draußen

Ich lese die Partitur der Wände. Ich liege und lese. Ich lege den Finger an die Schrift. Ich führe den Finger über die Schrift. Ohne Anfang, ohne Ende rollt die Schrift in mein Zimmer, über die Wände, über die Decke, auf meine Haut, in meinen Bauch.

Eingewickelt in ein Tuch liege ich und lese die in das Zimmer rollende Schrift. Schweiß sammelt sich kalt am Hals, an den Fußgelenken, an den Händen. Fest verspannt in einem Tuch liege ich in meinem Zimmer und rühre keinen Finger. Alle Glieder sind umwickelt.

Ich liege am Bett. Ich lese die Schrift an den Wänden, an der Decke, vollkommenes Gesetz. Fehlerlos arbeitet es an den Wänden, um mich herum, ein präzises Geflecht, ein geregeltes Glanz, ein Getriebe ohne Richtung, ohne Grenze.

Ich erkenne Flockentanz, Seile, straff gespannt durch einen Winter, Spiegel, Diamantspitzen, geflochtenes Schweigen, gedrechselten Stahl. Heimatländer bestückt mit Antennen, Wälder eingefangen unter weißen Netzen, zerklirrtes Geschirr. Kristalle, hart, unbenannt, Vögel, nackt und der Nässe ausgesetzt in den Nestern. Wortschauer, unhörbar, unter aufgespannten Schirmen. Ich schreibe auf, es ist Mai. Blumen blühen. Nichts entgeht mir.

Draußen von ferne Krähengeschrei, der Arzt schaut kurz zum Fenster.

Ich stehe an den Wänden des Zimmers und lese das krähenfüßige Muster im Weiß, erkenne darin die Fäden des Schalls. Schimmel weißer, unhörbar, der auf Wänden überwintert, der sich in die Wände frisst.

Es ist Mai. Würmer winden sich im Gras, schlafen unter Grasspitzen. Ich liege im Gras. Ich sehe den Himmel. Atme Licht, weiße Punkte, die in meine Haut dringen, meine Eingeweide füllen. Nasse Augen, die sich nicht schließen. Ich erkenne in den Wänden meines Zimmers kleine Löcher. Ich atme, um die Löcher zu schließen, im Weiß der Wände, auf meiner Haut. Ich öffne die Klappen auf meiner Haut. Ich öffne das Fenster. Ich schließe das Fenster. Ich schließe die Haut. Ich greife in das geschlossene Fenster. Ich öffne das Zimmer.

Ich schaue aus dem Zimmer, durch die Wände, durch die Risse an den Wänden in ein rhythmisch zitterndes Gefieder.

Wolkenweiß. Vogelgrau.

Dunkel.

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